Datum: 21.04.2020
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Noch eine Milliardengarantie?

Zwei St. Galler Professoren erwarten den Zusammenbruch des Markts für Kreditversicherungen und empfehlen einen staatlichen Schutzschirm

HANSUELI SCHÖCHLI

In der laufenden Rezession wird eine Zunahme der Konkurse kaum zu vermeiden sein. Damit steigen für Lieferanten die Risiken von Zahlungsausfällen. Wer als Lieferant solche Risiken nicht eingehen will, kann sich im Prinzip gegen Ausfälle versichern. «Die Nachfrage nach Versicherungsdeckung schnellt nach oben», sagt Stefan Ruf, Geschäftsführer von Euler Hermes in der Schweiz. Euler Hermes ist der globale Marktführer in der Versicherung von Lieferantenkrediten. Doch laut Marktbeobachtern steht der steigenden Nachfrage ein sinkendes Angebot der Privatversicherer gegenüber. Die Ausfallrisiken seien so stark gestiegen, dass sich das Angebot für Privatversicherer kaum mehr lohne und diese deshalb ihre Deckungslimiten reduziert hätten, sagt ein Wirtschaftsvertreter. Zu erwarten seien weitere deutliche Reduktionen der Kreditlimiten, betont Jörn Volk vom Zürcher Versicherungsbroker see finance.
Laut groben Schätzungen von Marktkennern decken private Kreditversicherer in der Schweiz in einem normalen Jahr Liefervolumen von etwa 40 bis 50 Mrd. Fr. ab und erhalten dafür Prämien in der Grössenordnung von knapp 200 Mio. Fr. Dies betrifft Exportgeschäfte ebenso wie Lieferungen im Inland.

Kampf gegen Negativspirale

Bricht nun das Angebot der privaten Kreditversicherungen zusammen, könnte dies den erhofften Wiederaufschwung der Wirtschaft blockieren, befürchtet Erik Hofmann, Professor am Institut für Supply Chain Management an der Universität St. Gallen (HSG). Hofmann zeichnet in einem Aufsatz zusammen mit dem HSG-Professor Alexander Braun vom Institut für Versicherungswirtschaft und mit Vertretern des Versicherungsbrokers see finance ein düsteres Szenario. Dieses geht etwa so: Ohne Warenkreditversicherung würden viele Unternehmen nur noch gegen Sofortbezahlung liefern, was die Handelsströme noch stärker hemmte und damit die Risiken für Zahlungsausfälle noch weiter steigern würde. Zur Vermeidung dieses Szenarios braucht es laut den Autoren einen staatlichen Schutzschirm mittels Bundesgarantie für Kreditversicherungen – etwa so, wie der Bund bereits Bürgschaftsgarantien für die Überbrückungskredite der Banken an KMU gesprochen hat. Als Muster verweisen die Autoren auf Deutschland. Die deutsche Regierung einigte sich mit den privaten Kreditversicherern auf ein Paket, das eine staatliche Garantie für total 30 Mrd. enthält. Im Gegenzug liefern die Privatversicherer 65% ihrer Prämieneinnahmen an den Bund ab und tragen Ausfallrisiken für die ersten 500 Mio. sowie für Beträge, die über die Bundesgarantie hinausgehen. Frankreich hat derweil eine Staatsgarantie für Handelskredite für total rund 10 Mrd. gesprochen. Soll es auch in der Schweiz eine weitere Milliardenverpflichtung des Staats richten? Im privaten Schweizer Kreditversicherungsmarkt spielen laut Marktkennern vor allem fünf Anbieter eine wesentliche Rolle: die drei Spezialanbieter Atradius, Euler Hermes und Coface sowie die Versicherer Axa und Zurich. Derzeit könne man nicht sagen, dass es in der Schweiz gar keinen privaten Markt mehr gebe, sagt Stefan Ruf von Euler Hermes. Die Warner sagen, dass dies bald der Fall sein dürfte.

Schweiz und EU im Gleichschritt

Die staatliche Schweizer Exportrisikoversicherung Serv kann beim Wegfall privater Versicherungsleistungen einspringen. In normalen Zeiten deckt die Serv vor allem Risiken ausserhalb der reichsten Länder ab. Doch dies sind keine normalen Zeiten. So hat die EU-Kommission Ende März die wirtschaftlichen und politischen Risiken im Zusammenhang mit Ausfuhren in EU-Staaten und in andere relativ reiche Länder wie die Schweiz bis Ende Jahr als «vorübergehend nicht marktfähig » erklärt. Damit können die staatlichen Exportrisikoversicherungen der EU-Mitglieder bis zum Jahresende auch Risiken in den genannten Ländern versichern. Diesen Schritt vollzieht auch die Schweizer Serv. «Wir haben diese Ausdehnung befristet bis 31.12.2020 im Verwaltungsrat beschlossen», sagt Serv-Präsidentin Barbara Hayoz. Zusätzlichen Kapitalbedarf ortet sie nicht: «Wir sind mit Eigenkapital von 2,9 Mrd. Fr. gut ausgestattet.» Die Serv kann allerdings kein voller Ersatz der privaten Kreditversicherer sein. Die staatliche Versicherung deckt kein rein inländisches Geschäft ab. Zudem versichert die Serv jeweils nur einzelne Exportgeschäfte und nicht ganze Debitorenportefeuilles. Die Idee eines generellen staatlichen Schutzschildes über dem privaten Kreditversicherungsmarkt nach deutschem Muster steht derzeit laut Hayoz nicht auf der Agenda. Zur Diskussion stünden dagegen für die Serv eine Erhöhung der Deckungssätze gewisser Produkte sowie flexiblere Regeln zu den Mindestanforderungen inländischer Wertschöpfung für versicherte Geschäfte.

 

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